Reifen: Die Quelle für Mikroplastik, an die niemand denkt

Reifen: Die Quelle für Mikroplastik, an die niemand denkt

Abgefahrene Sache! Haben Sie sich schon mal gefragt, wo der verschwundene Rest ihrer Reifen geblieben ist? In der Schweiz haben Wissenschaftler ein Modell entworfen, anhand dessen sie die Freisetzung von Gummipartikeln in die Umwelt berechnen konnten. Kleine Überraschung: Wenig ist das nicht!

Wer sich bereits über Kunstrasen von Tennisplätzen und Fußballfeldern oder die Waschmaschine als ergiebige Quellen von Mikroplastik gewundert hat, wird bei Autoreifen noch mehr staunen. Das bereits presseträchtig gewordene künstliche Grün ist nur für rund drei Prozent der freigesetzten Minipartikel verantwortlich, die übrigen 97 Prozent gehen auf das Konto von Gummireifen. Modellrechnungen zufolge sind alleine in der kleinen Eidgenossenschaft seit 1988 über 200.000 Tonnen Abrieb in Form von Mikrogummi freigesetzt worden. Weltweit hochgerechnet könnte diese Zahl eine ganze Menge der Miniatur-Schmutzpartikel in Umwelt und Weltmeeren erklären.

Wo bleibt der Rest der Reifen?

Dass Winterreifen wie Sommerreifen im Laufe der Zeit zu Slicks degenerieren und irgendwann erneuert werden müssen, schlägt sich bei jedem Autofahrer früher oder später im Haushaltsbuch nieder. Und in der Umwelt: Raten Sie mal, wo der Rest Ihres Reifengummis abgeblieben ist.

Wissenschaftler des EMPA, eines Forschungsinstituts für Materialwissenschaften und Technologieentwicklung, haben sich genau diese Frage gestellt. Bei jeder Fahrt, bei jedem Bremsmanöver und in jeder Kurve unterliegt die Bereifung einem kleinen Abrieb. Solche Gummireste lösen sich nicht in Luft auf, sondern gelangen in Boden und Oberflächenwasser. Aber um welche Mengen geht es hier?

Mikrogummi, einmal hochgerechnet

Die Forscher haben dazu die Reifenimporte in die Schweiz, die durchschnittliche Lebensdauer eines Reifens und ihre Recyclingquote angeschaut und berechnet, wie hoch die Abriebquote ist. Sie kamen für das Jahr 2018 auf einen Wert von 1,29 ± 0,45 kg pro Kopf. Ihren Berechnungen zufolge wurde rund ein Viertel mit Straßenreinigung und Abwasser entfernt, bevor er in die Umwelt gerät. Davon finden sich 74 Prozent in einem 5-Meter-Abstand zur Straße, 22 Prozent gelangten ins Oberflächenwasser und 4 Prozent in den Boden.

Besser vorstellen kann man sich etwas unter der Gesamtbelastung zwischen 1988 und 2018: In der kleinen Schweiz landeten dank Reifenabrieb 219 ± 22 Kilotonnen Gummipartikel in der Umwelt!

Wie sieht es mit dem Abbau von Mikrogummi in der Umwelt aus?

Mikroskopisch sind Mikroplastik und Mikrogummi kaum zu unterscheiden, aber eines ist ihnen gemein: Beide bleiben uns lange erhalten, denn Natur- und Kunstkautschuk, textile Anteile sowie Ruß werden nicht so schnell abgebaut.

In den Weltmeeren wird diese Form von Mikroplastik nicht ganz so schnell gelangen wie Plastikmüll, den Flüsse zum Meer transportieren. Bevor es so weit ist, wird er zunächst einmal in Oberflächengewässern wie Seen und Bächen Probleme bereiten - etwa indem er in die Nahrungskette gelangt und die Trinkwasseraufbereitung komplizierter macht.

Nicht zu unterschätzen sind die Mengen an Mikrogummi, die in die Luft gelangen und wesentlich zur hohen Feinstaubbelastung in den Innenstädten beitragen.

Quellen, Links und weiterführende Literatur

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